Montag, 6. Juli 2009

2 Hände - 2 Rohlinge

Erziehung kann durchaus verhängnisvoll sein. Ein Beweis dafür sind Fernsehsendungen wie z.B.: "Der Hundecoach". Die vorgestellten Hunde sind in der Regel total normal - ihre Besitzer gehören auf die Couch. 
Wenn schon einfache Unterweisungen wie: "Du sollst nicht beißen!" oder "Du sollst in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht vor Angst unter die Sitzreihen pinkeln!" schwer fallen - wie soll es dann gelingen, einen ahnungslosen Menschen für die Härten des Lebens zu präparieren? 
Der Durchschnittsmensch und mir ist noch nie ein anderer begegnet, gibt doch seine eigene Verkorkstheit  an den Schutzbefohlenen weiter. Für diese Erkenntnis braucht niemand einen Sozialarbeiter. Meine Empfehlung - Euphemismus für: mein Ideal - ist die Weglassung von sich selbst, im Hinblick auf die optimale Entwicklung derjenigen, die man, Lippenbekenntnissen gemäß, mehr liebt als sich selbst. 
Denn wenn man das nicht tut - dann hat man rumsdibums - eine Bäckereifachverkäuferin zur Tochter. 
Angehörige dieses Berufsstandes bestechen überwiegend durch eine latent autoritäre Unfreundlichkeit.  Zur Veranschaulichung simulieren wir eine Verkaufssituation im psychologischen Rollenspiel. Imaginieren Sie sich in einen relativ gut besuchten Laden. Sie sind der NÄCHSTE. In der Auslage stapeln sich verschiedenste Backwerke, deren genaue Bezeichnung ihnen jedoch gerade entfallen ist. Lediglich der Begriff: Brötchen ist ihnen relativ vertraut. Sie sind noch nicht ganz wach, aber in ihrer Brottrommel (!) zu Hause war nur noch das Endstück eines Graubrotes und Hunger haben sie auf jeden Fall. 
Bäckereifachverkäuferin: "Was darf´s sein?" - sie fuchtelt mit der Brötchenzwacke herum-
Sie: "ÄH!" 3 Normale und 2 - davon."
Bäckereifachverkäuferin: "Roggen? oder Mehrkorn?" Sie tippt mit der Zwacke auf 2 Objekte.
Sie: "Ja... davon und....
Bäckereifachverkäuferin hat emsig Waren in die Tüte geschaufelt. "3 Normale, 2 Mehrkorn - darf´s sonst noch was sein?"
Ihnen wird die Schlange hinter ihnen bewusst : "Nein, danke!"
Bäckereifachverkäuferin: "Na dann, haben wir: 3 Normale, 2 Mehrkorn, das macht einszweiundsiebzig. Danke. 28 Cent zurück, vielen Dank. Guten Tag! Was darf´s sein?"
Kunde nach ihnen: "Ich hatte 30 Brötchen bestellt. Auf den Namen Johann."
Bäckereifachverkäuferin: "Die Normalen sind noch im Ofen - das dauert. Wir hätten noch Sesam, Mohn, Junior, Mehrkorn?"
Kunde nach Ihnen: "Und was ist das?" - zeigt auf ein stangenförmiges Nahrungsmittel.  
Die Seniorbäckereifachverkäuferin (sehr dick)  schiebt sich nach vorne: "Das ist ein Grieche."
Sie sehen keinen Griechen weit und breit. Sie sind aber von dem Schauspiel gebannt. 
Die Seniorbäckereifachverkäuferin: Ein Mischbrot mit Feta und Oliven. 
Kunde nach ihnen: "Nehme ich mit." 
Die Seniorbäckereifachverkäuferin: "Darf´s sonst noch was sein?"
Sie gehen. Mit ihren 3 Normalen und den Mehrkornbrötchen, die sie eigentlich gar nicht wollten. Sie hätten lieber den Griechen gehabt. Zu Hause wartet ein Sohn auf Sie.   ABER! Das ist kein Grund zur ENTWARNUNG! Auch wenn sie eine Rarität sind - es gibt sie doch! Männer in Bäckereien - und sie tragen mitnichten immer die kleinkarierten Hosen ihrer ZUNFT. Klammheimlich haben sie sich unter dem Vorwand eines Studiums der Betriebswirtschaft z.B.: in die Reihen der Nadines, Vanessas und Nicoles gemischt, denn hier sind sie Hähnchen im Korbe. 
"Lange hin," denken sie. Der Sohn ist erst vier und es gibt ja noch die Bundeswehr. Immerhin waren noch 3 Normale da. 
 
 

Sonntag, 12. April 2009

Mülheimer Kurzfilmtage & andere Debakel



 Um mich von dem Verdacht einer generellen Dusiburgerfeindlichkeit reinzuwaschen, beschmutze ich nun mein ehemaliges Nest. Es sei hier anzumerken, dass zumindest seine Grünflächen und auch der namengebende Fluss mir stets Quellen der Erquickung waren, was ich von den Bewohnern des Marktfleckleins nicht unbedingt behaupten kann. 
In meiner Jugend war ich eine traumwandelnde Idealistin, wie es sich für zartgliedrige, dezent magersüchtige Töchter aus kultivierten Haushalten gehörte. Mein Vater hatte nach seiner Flucht von einer ostfriesischen Insel, eine Schauspielschule besucht und meine Mutter geschwängert. Den erworbenen Abschluss der Bühnenreife setzte er fortan gewinnbringend im Verkauf von Personenkraftwagen ein. Meine Mutter ihrerseits flüchtete vor den Anforderungen des Haushaltes in die Welt der Literatur und ihr verdanke ich die Mitgliedschaft bei der Speldorfer Leihbibliothek seit meinem fünften Lebensjahr. Ich konnte nicht lesen, schrieb allerdings bereits das Wort: RALF, allerdings von links nach rechts. 
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass ich stets von der Kunst angezogen wurde. 
Obwohl mein Vater Schauspieler war überlebte in mir lange Jahre der Gedanke, dass Personen, die "KUNSTWERKE" hervorbringen, irgendwie bessere Menschen seien. Schuld an diesem Irrglauben hatten solche Leute wie Herr Schiller und auch - obwohl er es sicher besser wusste - Herr Lessing. Dann wurde ich erwachsen oder sollte ich sagen: geschlechtsreif? Wie auch immer, ich lernte etliche Künstler kennen und wurde eines Besseren belehrt. 
Kurz vor meiner endgültigen Abreise nun besuchte ich, quasi symbolisch abschließend, eine Ausstellung von Kunstschaffenden meiner Heimatstadt.  Das Wetter war schön. Vögel, Wind, Blütenpracht, Selbstverpflegung, denn obwohl in die Jahre gekommen; in der Gesamtheit war man doch jung (relativ mittellos) geblieben -jedenfalls der/die Eine oder Andere.  
Der Eintritt war dementsprechend free, allerdings bestand die moralische Verpflichtung an einer Tombola teilzunehmen. Es winkte der Gewinn eines kleineren Kunstgegenstandes. 
Nach der Verlosung sollte ein Mensch etwas trommeln. 
Ein illustres Völkchen umschwirrte den Weißweinkanister. Da war eine schwarzhaarige Dame in Rosa, mit osteuropäischem Akzent, ein Greis mit Häkelkappe, ein post- Apollo in Kniebundhose aus Breitkord, nebst rotem Wams und gleichfarbigem Stirnband, ein Eisenherz mit buntem Schal, häßliche Frauenbeine in lilafarbener Strumpfhose, mehrere ökologische Schuhe und zwei Hunde, gerettet aus Tötungsstationen unzivilisierter Urlaubsgebiete.
Gesprächsfetzen:
"Nachdem ich das Buch gelesen habe, frage ich mich ernsthaft: Warum habe ich mich damals nicht mehr engagiert?"
"Mein Gott! Meine Mutter ist auch hier!"
"Wird hier geraucht?" 
"Los komm, wir suchen dir einen Mann."
"Keiner da."
"Was ist mit dem?"
"Hast du die Zähne gesehen?"
"Hat er noch welche?"
Dann sprachen mich die dicken, lila Beine an: "Du bist nah am Haus."
Ich rückte etwas mehr in Richtung Garten. 
"Woher hast du das Bier?" Inquisitorisch. Es war erst 17 Uhr 3 Minuten - zugegeben: früh. 
"Ich ... mir wurde gesagt... Selbstversorgung... von der Bude." Zum Beweis schwenkte ich meinen Beutel - erklärender, unverwechselbarer Klang von vollen Bierpullen (wir befinden uns im Ruhrgebiet!).
"Na dann," wirklich dicke Oberschenkel, Kniewulste, kolbenförmiger Fortsatz. "Ist es ja gut. Wir bewahren das Bier, du hättest wirklich nah am Haus sein müssen, wenn du aus den Beständen eines bekommen hättest." 
"Nee, nee," winke ich beruhigend ab. Die Bierpolizei schiebt ab - in Richtung der Kiffer, die sich im Hintergrund des Gartens zusammengerottet haben - ihr freundliches Lachen weht über die ungemähte Wiese und mein erleichterter Blick fällt auf das beste Objekt der Ausstellung. Jemand hat Markknochen über die Zweige eines knospenden Strauches gestülpt. 
"Von wem ist das denn?" frage ich einen Vorbeikommenden. "Ach dat," sagt der. "Dat sind Markknochen. Für die Eichhörnchen." "Ach so," erwidere ich und nehme einen Schluck aus der Bierflasche. "Die stehen dadrauf," sagt der Vorbeikommende. "Die Eichhörnchen."


Mittwoch, 1. April 2009

In der Einsamkeit meines Leuchtturmwärterinnenlebens entwickele ich manchmal vielleicht schon leicht wahnsinnige Vorstellungen. Sie müssen sich vorstellen, dass ich den Turm fast nie und wenn, dann nur in tiefdunklen Winternächten verlasse, um steif gefrorene Fledermäuse zu massieren. Dabei rezitiere ich unablässig deutsche Gedichte. Die Fledermäuse mögen deutsche Gedichte. Erstaunlicherweise mögen sie ganz besonders Joseph von Eichendorff.
Einmal, es ist schon länger her, ich ging noch in der Dämmerung nach draußen, begegnete ich einem Pinguin. Er war stark übergewichtig und saß einfach nur so da. Er fixierte mich mit seinen Knopfaugen. Ich rezitierte Hölderlin. 
"Hör auf damit," sagte der fette Schwimmvogel frech. 
"Als wenn du auch nur einen Hauch von dem verstehen könntest," erwiderte ich hochmütig, denn ich war mir sicher, dass ich meine Schwiegermutter vor mir hatte, in leicht veränderter Gestalt - Höhe und Umfang waren identisch. Und in der Tat, der Vogel plusterte sich auf, drückte den schwarzen Schnabel auf seine Brust und begann sich zu putzen. 
Ich setzte mich neben sie und sah ihr zu. Sie holte einen kleinen Spiegel aus ihrer Tasche, nahm einen dieser unerträglich, grell orangefarbenen Lippenstifte in ihre schlammweiche Hand und trug ordentlich auf. Sie hantierte mit dem Lippenstift wie fünfjährige, leicht blöde, Kinder Wachsmalstifte benutzen. O - förmigen Mundes, gedankenfreie Kreise ziehend - 2 Minuten ohne abzusetzen. Dann: Stift weg, Mund zu und die Lippen aufeinander pressend, Ausschau halten nach neuen Taten und Abenteuern. Wo sind die Kekse? 
Die Dämmerung verbarg einen zweiten Pinguin. Er hatte sich hinterhältig herangepirscht, während ich in die Betrachtung seines, sich putzenden, Artgenossen versunken war und darüber  meine Rezitationen vernachlässigt hatte. Seine schrille Stimme durchschnitt den Nebel der beginnenden Nacht: "Ich will jetzt sofort was von Rilke hören!" 
"Heinz!" rief meine Schwiegermutter. "Wie kannst du mich so erschrecken!?!"
"Ich will sofort etwas von Rilke!" Die Forderung kam von rechts außen, ich ahnte wo Heinz sich versteckt hielt. 
"Rilke," sagte meine Schwiegermutter verschwörerisch zu mir. Ich wich zur Seite. Gleich würde sie mich berühren wollen - wissende Ehefrauen unter sich - wie oft duscht er noch? Wöchentlich? Nee! In der Dekade. 
"Was willst du mit Rilke? Dein Horchgerät ist hier - in meiner Tasche!"
Anerkennungsheischend sah sie mich an. Dezent geplustert. Ich ließ sie abblitzen. 
"Gesicht, mein Gesicht:
wessen bist du, für was für Dinge 
bist du Gesicht?



   

Freitag, 27. März 2009

Der Duisburger

Einer, der zahlreichen Gründe, mein Leben auf den Falklandinseln fortzusetzen war u.a.:
 DER DUISBURGER (m/w) UND SEINE STADT

Kurzbeschreibung der Volksgruppe:
  1. Physiognomie: Das klassische duisburger  Männchen sieht aus wie Udo Jürgens, wenn er den Beruf des Zuhälters gewählt hätte. Es trägt das Haar gerne etwas länger und liebt Schmuck. Das Weibchen ist oft schon in frühen  Jahren etwas angestrengt oder auch welk. 
  2. Verhalten/Mentalität:  Männchen und Weibchen geben sich gerne dreist, dabei sind sie getrieben von einer Unsicherheit, deren Ursprung dem Nicht-Duisburger (meistens) rätselhaft ist. Daraus entwickeln sich schnell Missverständnisse, für deren Vorhandensein der Duisburger aber generell keine Verantwortung übernimmt, da er Recht hat. Dieses Recht leitet er aus einem prinzipiell mieseren (Vor)Leben ab. Eine Begründung hierfür liefert er nicht. Der Nicht - Duisburger muss von selbst darauf kommen. Da z.B. dem Gelsenkirchener dieses Abstraktionsniveau nicht zugemutet werden kann, ist hier ein Grund für die Auseinandersetzungen in den Fußballstadien der beteiligten Ortsgruppen zu suchen.  
  3. Rivalitäten mit Nachbardörfern werden aus lokalhistorischen Gründen (d.h.: kaum einer weiß warum) gepflegt. Besonders unbeliebt ist das angrenzende Mülheim (Durchschnittsalter 69), vermeintlicher Wohnort der Besserverdienenden. 
  4. Sprache: keine Besonderheiten
  5. Religion: 4 Weltreligionen und dezent buddhistische Tendenzen in esoterischen Zirkeln, Synagoge (Stadtmitte) und Moschee (Obermarxloh) vorhanden.
  6. beliebtes Getränk: König Pilsener

Kurzbeschreibung der Örtlichkeit:

Duisburg besitzt den größten Binnenhafen Europas und seit einigen Jahren einen chicen Innenhafen, d.h.: eine stets zugige Amüsiermeile gelegen an einem Kanal. Der Blick des Besuchers fällt auf moderne Gebäudekomplexe (Parkhäuser?) und auf leicht gewelltes Süßwasser. Das stete Brausen in der Luft erinnert schwach an Meeresrauschen, in Wirklichkeit handelt es sich um banalen Verkehrslärm. Die ganze Stadt liegt eingebettet in einen gigantischen Verkehrsknotenpunkt, hoch Feinstaub belastet,  existentiell und  ästhetisch brach.
Sehenswürdigkeiten: Stadtmauer in Resten und diverse Industrieruinen
kulturelles Leben: siehe Köpi und Tierwelt
Klima: größtenteils unwirtlich
Tierwelt: Der Duisburger hält seine Tiere in einem Zoo gefangen, bevor er sie verspeist. Aus diesem Grund kann der Auswärtige in einem der chicen Restaurants am Innenhafen zwischen Känguru, Kamel und Panda u.ä. wählen. 
Währung: türkische Lira und Tauschhandel


Samstag, 14. März 2009

Vorstellung & Einladung

Sehr geehrte Leserinnen!

Ich möchte mich kurz vorstellen und die Absicht dieses Blogs darstellen.

Ich bin eine Frau, die im Begriff ist, ihre besten Jahre hinter sich zu lassen, daran ändert auch das Kieser Training nichts. Meine Sozialisation fand im Ruhrgebiet statt. Verheiratet, 1 Kind, weiblich, Teenager. 
  1. Davor: Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie. 
  2. Danach: Ernüchterung. 
  3. Jetzt: Leutchtturmwärterin
Absicht des Blogs:
 
rücksichtslose Formulierung, Darstellung und Austausch alltäglichen Unbills jedweder Art ohne Weinerlichkeit.

















Sonntag, 8. März 2009